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Die wichtigsten Fakten auf einen Blick:
PFAS, d.h. per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, sind aufgrund weltweiter Regulierungsbestrebungen in aller Munde. Verbände aus vielen Industriezweigen warnen vor den Folgen eines zu umfassenden Stoffverbots in der Europäischen Union, das auch etablierte polymere Dichtungsmaterialien wie FKM, FFKM, PTFE, FEP oder PVDF bedroht. Diese Werkstoffe werden in großem Umfang als zuverlässige und langlebige Dichtungslösungen eingesetzt, wenn die Kundenanwendung Eigenschaften erfordert, die nur fluorierte Werkstoffe in dieser Gesamtheit besitzen. Neben ihrer hohen Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit sind diese Werkstoffe aufgrund ihrer chemischen Inertheit auch toxikologisch unbedenklich, was sie für den Kontakt mit regulierten Produkten in der Prozessindustrie geeignet macht. In dieser Kombination stellen die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, die pharmazeutische und die chemische Industrie besondere Anforderungen an die Eigenschaften und Reinheit der Materialien. Da PFAS gerade wegen möglicher Risiken für Umwelt und Gesundheit vom Markt genommen werden sollen, wird deutlich, wie unpräzise der Sammelbegriff „PFAS“ für eine solche Regulierung eigentlich ist.
Aufgrund des breiten Spektrums an verschiedenen Verbindungen und Anwendungen sind nicht alle „PFAS“ gleich - polymere und nicht-polymere unterscheiden sich erheblich. Während die Umwelt- und Gesundheitsrisiken einiger PFAS-Verbindungen angeführt werden, gibt es auch unverzichtbare Anwendungen, zum Beispiel in der Medizintechnik, wo sie einen eindeutigen Nutzen haben und ihre Verwendung umfassend validiert ist: Endoskope, Herzkatheter, Implantate, Stents und viele weitere stark regulierte Produkte, für die es keine Alternativen gibt. Ein differenzierter Ansatz ist notwendig, um die Risiken zu minimieren, ohne lebensrettende Technologien zu opfern.
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) prüft derzeit noch die mehr als 5.600 eingereichten Kommentare zur geplanten Verordnung: Die ersten Stellungnahmen der zuständigen Ausschüsse für Risikobewertung (RAC) und sozioökonomische Analyse (SEAC) zu verschiedenen Anwendungen von PFAS betonten neben möglichen zusätzlichen Auswirkungen einiger PFAS auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit vor allem die Persistenz als Hauptgefahr dieser breit gefächerten Stoffgruppe.
Bisher haben sich die Gremien jedoch noch nicht mit den Anwendungen der Dichtungstechnik befasst; Lebensmittelproduzenten, Maschinenhersteller und Dichtungshersteller stellen sich der unsicheren Situation, indem sie alle Optionen zwischen der Hoffnung auf eine vollständige oder teilweise Befreiung der Polymere von der geplanten Verordnung aufgrund ihrer Inertheit und dem befürchteten Verbot aller PFAS und auch der polymeren fluorierten Werkstoffe in umfassendster Weise prüfen. Im letzteren Fall würden diese Anwendungen nach Inkrafttreten der Verordnung, wenn überhaupt, nur noch mit deutlich kurzlebigeren Dichtungsmaterialien ausgestattet, mit allen denkbaren Konsequenzen.
Die ECHA-Mitteilung vom 20. November 2024 würdigt nun die umfangreichen Bemühungen von Industrie und Verbänden und erkennt ausdrücklich die unübertroffenen Vorteile von Fluorpolymeren in der Dichtungstechnik an: Gerade diese Anwendung - mit Dichtungsaufgaben in Verbraucher-, Profi- und Industrieanwendungen als Dichtungen, Rohrauskleidungen, Flachdichtungen und Ventilkomponenten - wird explizit als neue, bisher nicht identifizierte Verwendung von PFAS genannt.
Die Notifizierung eröffnet auch neue Möglichkeiten im Hinblick auf den weiteren Verfahrensablauf. So sollen im Rahmen des weiteren Verfahrens auch Alternativen zu Verboten diskutiert werden, was bisher nicht vorgesehen war.
Insgesamt ist die jüngste Ankündigung der ECHA natürlich sehr positiv, aber es ist nicht an der Zeit, sich auf den Lorbeeren der vorgeschlagenen Verordnung auszuruhen, sondern die Situation weiterhin sorgfältig zu bewerten. Mögliche Alternativen für die jeweilige Anwendung mit den entsprechenden Parametern müssen weiterhin gesucht und möglichst in allen Aspekten bewertet werden. Auch die Lebensmittelhersteller, Maschinenbauer und Dichtungshersteller erhoffen sich von den beiden Ausschüssen RAC und SEAC Hinweise, welchen Weg sie einschlagen sollen. Es bleibt abzuwarten, ob - wie in der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 kritisiert - der Fokus auf die eher verbraucherorientierten Verpackungsthemen mit moderaten Bedingungen und Langzeitkontakt gelegt wird oder ob auch die Anwendungen in der Lebensmittelindustrie, die eher kürzere, aggressivere Prozessbedingungen aufweisen und daher ganz andere mechanische, thermische und chemische Bewertungen erfordern, ausreichend berücksichtigt werden. Eine umfassende Betrachtung beider Aspekte wäre wichtig, um die Unsicherheiten der gesamten Lebensmittelindustrie und ihrer Zulieferer aus dem Bereich Maschinenbau zu reduzieren. Dabei ist die Lebensmittelindustrie als Vorreiter für die anderen Branchen der Prozessindustrie zu sehen, da viele der betroffenen Maschinenbauunternehmen auch die anderen Branchen beliefern, wenn auch in unterschiedlichem Umfang.
Die Hersteller fluorierter Polymere reagieren nun auf diese unklare Situation und überprüfen ihre Produktpalette und Produktionsverfahren, verbessern sie, um kritische kurzkettige PFAS, insbesondere fluorierte Tenside mit wasserlöslichen Eigenschaften, zu vermeiden, oder stellen die Produktion fluorierter Materialien ganz ein.
Als nachgeschaltete Anwender von polymeren PFAS sehen sich die Hersteller von Verbundwerkstoffen nun mit der Herausforderung einer reduzierten Lieferkette konfrontiert, die sich auch sehr kurzfristig ändern kann. Sie müssen ihr Materialportfolio überprüfen und neue Materialien entwickeln, um ihren Kunden alle Optionen anbieten zu können, unabhängig davon, welchen Weg die globale Regulierung in den kommenden Jahren nehmen wird.
Diese neue Herausforderung stellt oft einen weiteren Zielkonflikt für die Dichtungsauswahl dar, der zu den bereits bestehenden hinzukommt. Dichtungen in der Prozessindustrie müssen mindestens drei Aspekte erfüllen:
Einerseits ist die chemische Beständigkeit des Elastomers zusätzlich zur mechanischen Beständigkeit unerlässlich, um Dichtungen zu erhalten, die gegen aggressive Produkte mit einer Vielzahl von Inhaltsstoffen beständig sind. Aggressive Produkte müssen nicht unbedingt gefährliche Stoffe sein, wie die Reinigungschemikalien in Form von erhitzten Laugen, Säuren, oxidierenden Sterilisationsmedien oder Dampf, die in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie unerlässlich sind Tatsächlich können auch Getränke mit Aromamischungen oder Lebensmittel mit festen Bestandteilen wie Nüssen, Samen oder Fruchtfleisch eine große Herausforderung für die Dichtungstechnik darstellen.
Zum anderen muss das Material die notwendigen gesetzlichen Anforderungen für den Kontakt mit Lebensmitteln erfüllen. Aufgrund der globalen Vernetzung der Industrie ist es für Lieferanten und Kunden gleichermaßen wichtig, möglichst viele dieser Vorschriften mit einem oder nur wenigen Materialien zu erfüllen, um die Anzahl der Varianten zu reduzieren. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass diese Materialien ihre Unbedenklichkeit bereits erfolgreich aus der Sicht und Expertise aller Teile der Welt unter Beweis gestellt haben. Der Zweck der einschlägigen Gesetze und Normen – beispielsweise der US-amerikanischen 21 CFR 177.2600 (FDA), der chinesischen GB 4806.n und GB 9685 oder der deutschen XXI. Empfehlung des Bundesamtes für Risikobewertung – ist also der gleiche, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor unsachgemäßer Veränderung durch Migration von Stoffen aus den Komponenten mit nachfolgender Übertragung in Lebensmittel. Der Weg dorthin unterscheidet sich jedoch im Detail und es gibt derzeit keine gegenseitige Anerkennung. Auch wenn manchmal Protektionismus vermutet wird: Das globale Material muss auch global unterschiedlichen Expertenmeinungen standhalten.
Letztendlich muss die endgültige Geometrie, sobald die oben genannten Materialanforderungen erfüllt sind, auch für den Einsatz als Dichtung in einer regulierten Branche wie der Lebensmittel- und Getränkeindustrie geeignet sein, was unter dem Stichwort „Hygienic Design“ zusammengefasst wird. Dichtungen sollten aus hygienischer Sicht keine Schwachstelle im Design darstellen und beispielsweise die Reinigbarkeit des Systems nicht übermäßig behindern. Auch die Vermeidung von fehlerhafter Montage oder Überpressung sollte durch das Design verhindert werden; Aspekte, die leicht berücksichtigt werden können, wenn der Dichtungslieferant frühzeitig einbezogen wird.
Die aktuell drohende Regulierung von PFAS bedroht nun diesen ersten Aspekt der Materialbeständigkeit. Fluorhaltige Polymere sind einzigartig in ihrer thermischen und chemischen Beständigkeit und können nicht durch andere Materialien ersetzt werden, auch wenn in Einzelfällen andere Materialien eingesetzt werden können. Dies hängt jedoch von den Prozessbedingungen dieses Einzelfalls ab, sodass der ursprüngliche Grund für die Verwendung fluorhaltiger Polymerwerkstoffe als Universalwerkstoff für (fast) alle Anwendungen nicht mehr gegeben ist und je nach Produkt und Reinigungsbedingungen, Temperatur oder Belastungsfall möglicherweise mehrere Varianten ausgewählt werden müssen.
Als Nachfolger der Werkstoffe PERTEC® CIP FKM 75.501 04 und PERTEC® UP FKM 70.5 01 07, die unter anderem in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden, als sogenannte NFS-Versionen (Non-Fluor-Surfactant) im Falle einer erhofften Ausnahme von Polymerwerkstoffen von den bestehenden Vorschriften. Hintergrund ist, dass die Polymerhersteller auch wasserlösliche Fluortenside für peroxidisch vernetztes FKM verwendeten. Neue Verfahren der Polymerhersteller kommen ohne diese Stoffe aus, machen aber einen Polymerersatz notwendig, sodass diese Materialentwicklung für alle peroxidvernetzten FKM aller Dichtungshersteller unumgänglich ist. Die neuen Materialien von Angst+Pfister werden aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit voraussichtlich fast die gleichen Eigenschaften wie ihre Vorgänger aufweisen.
Im hoffentlich eintretenden Fall einer Ausnahmeregelung für polymere PFAS von den Vorschriften bliebe beispielsweise der bewährte FKM-Werkstoff HITEC® FKM 75.16-04 verfügbar, der als Bisphenol-vernetztes Material erfreulicherweise nicht von der beschriebenen Problematik der Fluortenside betroffen ist.
Unter Berücksichtigung der derzeit geschätzten Zeiträume bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nicht vor 2028, sondern vielleicht erst 2030 oder später, bleibt in vielen Fällen noch genügend Zeit für die üblichen Wartungszyklen von ein oder zwei Jahren, und es besteht keine Notwendigkeit für eine „überstürzte“ Umstellung, auch wenn ein vollständiges Verbot fluorierter Polymere erhebliche Auswirkungen auf die erwarteten Wartungszyklen und die Sicherheit von Maschinen und Anlagen haben wird. Dennoch ist es jetzt sinnvoll, sich mit Materialien zu befassen, die von der geplanten PFAS-Verordnung nicht betroffen sind, um auf ein vollständiges Verbot vorbereitet zu sein. Zum einen lassen sich nur so die zu erwartenden Veränderungen für den jeweils schlimmsten Fall abschätzen und zum anderen die notwendigen Schritte für das Design und das Produktmanagement ableiten, wie z. B. eine größere Variantenvielfalt, eine Designänderung für einen schnelleren Austausch oder auch Maßnahmen zur Reduzierung potenzieller Schäden im Falle eines zu erwartenden Lecks.
Das Materialportfolio von Angst+Pfister für diese Anwendungen umfasst unter anderem Materialien aus den Gruppen EPDM und VMQ. Während HITEC® DW EPDM 70.503 00 ursprünglich für den Kontakt mit Trinkwasser optimiert und für die Langlebigkeit in dieser Anwendung ausgelegt wurde, erfüllt es auch zahlreiche zusätzliche Zulassungen für die Lebensmittelindustrie und sogar den Pharmasektor (siehe Abbildung).
PERTEC® UP EPDM 70.503 04 hingegen ist für ultrareine Anwendungen maßgeschneidert und erfüllt zusätzlich die chinesischen und französischen Zulassungen für Lebensmittelsicherheit. Von diesem Werkstoff ist auch eine härtere Variante, PERTEC® 80.503 01, erhältlich.
Alternativ ist PERTEC® UP VMQ 70.501 01 eine weitere ultrareine Materialmischung, die im Gegensatz zu EPDM fettbeständig ist und zudem ein breites, weltweit anerkanntes Zulassungsspektrum bietet. Für weichere Lösungen steht die Variante PERTEC® UP VMQ 50.501 02 zur Verfügung.
Beim direkten Vergleich dieser hervorragenden Materialien mit FKM-Materialien gibt es natürlich materialspezifische Einschränkungen: EPDM zeigt bei hohem Fettgehalt eine geringere Leistung und VMQ weist eine geringere Beständigkeit gegenüber Dampfsterilisationsprozessen auf.
Als Ergänzung zu dieser Reihe von PFAS-freien Materialien entwickelt Angst+Pfister einen HNBR der nächsten Generation, um diese Materialklasse, die seit Mitte der 2010er Jahre weitgehend durch FKM-Materialien ersetzt wurde, mit moderner Technologie wieder einzuführen.
Zusammenfassung und Fazit
Die derzeit unklare Situation bezüglich der geplanten Regulierung aller PFAS verunsichert Lebensmittelproduzenten, Maschinenhersteller, Dichtungshersteller und deren Zulieferer. Eine schnelle Verbesserung dieser Situation durch klare Regelungen ist noch nicht in Sicht, auch wenn die neueste Mitteilung der ECHA die Bedeutung von Fluorpolymeren für Anwendungen in der Dichtungsindustrie anerkennt. Die Verbände streben eine Klarstellung und insbesondere eine vollständige Ausnahme von polymeren PFAS von den geplanten Vorschriften an, da sie sicher herzustellen, zu verwenden und zu entsorgen sind. Tatsächlich können Fluorpolymere in vielen Dichtungsanwendungen nicht durch gleichwertige Alternativen ersetzt werden; kürzere Standzeiten und frühere Ausfälle sind zu befürchten. Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, empfiehlt es sich, frühzeitig mit dem Lieferanten hochwertiger Dichtungen Kontakt aufzunehmen, um einerseits mögliche fluorierte Polymerwerkstoffe neuester Technologie aus seinem Portfolio und andererseits potenzielle Ersatzwerkstoffe zu prüfen und so das Risiko für das eigene Unternehmen zu minimieren.
Dieser Artikel wurde erstmals in der Novemberausgabe der Fachzeitschrift DICHT! veröffentlicht, die von der ISGATEC GmbH herausgegeben wird.
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